Schwanger: Sollte der Chef zu den ersten Gratulanten gehören?


Eines vorweg: Zwingen kann man niemanden dazu, seinem Vorgesetzten zu sagen, dass man schwanger ist. Doch damit Arbeitgeber ihren Pflichten nachkommen können, müssen sie erst einmal von der Schwangerschaft erfahren.

So früh wie möglich mit dem Arbeitgeber zu sprechen, ist daher dringend ratsam – vor allem, wenn gesundheitliche Gründe dafürsprechen und der Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet ist, ein Beschäftigungsverbot auszusprechen. Zahnarzthelferinnen beispielsweise dürfen, wenn sie schwanger sind, nicht mehr am Behandlungsstuhl arbeiten.

Dort besteht unter anderem das Risiko der Infektionsgefahr, sei es durch direkten Blut- oder Speichelkontakt mit dem Patienten oder weil die Zahnarzthelferin für das Reinigen und die Aufbereitung verunreinigter, schneidender Instrumente zuständig ist.

Mutterschutzgesetz: Was ist das?

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) soll Frauen am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz schützen, beispielsweise vor Unfällen, Verletzungen oder körperlichen Belastungen. Und das vor und nach der Geburt des Kindes sowie in der Stillzeit (Paragraf 1, Absatz 1, MuSchG).2

Arbeiten in der Schwangerschaft: Zulässige Arbeitszeiten


Sobald Arbeitgeber von einer Schwangerschaft Kenntnis erhalten, haben sie die Aufgabe, sich an Beschäftigungsverbote und -beschränkungen zu halten, die im Mutterschutzgesetz geregelt sind, um die werdende Mama und das ungeborene Baby zu schützen.

Höchstarbeitszeit

Von morgens bis spätabends im Büro sitzen, um eine Präsentation vorzubereiten oder ein Projekt abzuschließen – wer schwanger ist und arbeiten geht, für den ist das Anhäufen von Überstunden passé. Schwangere dürfen nicht länger als achteinhalb Stunden täglich oder über 90 Stunden in der Doppelwoche (Zeitraum von zwei Wochen, Sonntage eingerechnet) arbeiten.3

Bei Minderjährigen reduziert sich die Arbeitszeit auf höchstens acht Stunden täglich beziehungsweise nicht mehr als 80 Stunden pro Doppelwoche. Nach der geleisteten, maximalen täglichen Arbeitszeit steht schwangeren Arbeitnehmerinnen eine Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu.4

Sonn- und Feiertage

Arbeitgeber dürfen Schwangere nur zur Sonn- und Feiertagsarbeit einteilen, wenn

  • die Arbeitnehmerin ausdrücklich damit einverstanden ist,
  • der Chef gewährleistet, dass sie nicht alleine arbeitet,
  • es für die Schwangere in der darauffolgenden Woche einen Ersatzruhetag gibt.

Außerdem muss Paragraf 10 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) greifen.5 Darin sind zugelassene Ausnahmen vom allgemeinen Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit aufgeführt, die beispielsweise für Beschäftigte in Not- und Rettungsdiensten, Krankenhäusern, in Verkehrsbetrieben oder in Gaststätten gelten. Vereinfacht bedeutet das: Bestimmte Personengruppen dürfen in der Schwangerschaft auch sonn- und feiertags arbeiten, wenn die oben genannten Punkte zutreffen.

Nachtarbeit

Nichts zu rütteln ist an dem Zeitraum zwischen 22 und 6 Uhr, Arbeiten in der Schwangerschaft ist dann nicht erlaubt.6 Für die Zeit zwischen 20 und 22 Uhr gibt es eine Sonderregel:7 Nur, wenn folgende Punkte zutreffen, kann einer Beschäftigung in diesem Zeitraum nachgegangen werden:

  • die Arbeitnehmerin möchte in diesem Zeitraum arbeiten
  • aus Sicht des Arztes spricht nichts dagegen
  • die Schwangere ist nicht alleine an ihrem Arbeitsplatz

Zudem müssen Arbeitgeber ein Genehmigungsverfahren für die Arbeit zwischen 20 und 22 Uhr einleiten. Je nach Bundesland sind für die Prüfung die Gewerbeaufsichtsämter oder staatlichen Arbeitsschutzämter zuständig. Eine Auflistung nach Bundesländern finden Sie auf der Webseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Gut zu wissen

Selbst wenn Sie einer Beschäftigung im Zeitraum zwischen 20 bis 22 Uhr zugestimmt haben, ist diese Einverständniserklärung nicht auf alle Ewigkeit in Stein gemeißelt. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.

Schwanger arbeiten – weitere Einschränkungen


Welche Arbeiten in der Schwangerschaft in Ordnung sind, ist klar geregelt. Im Mutterschutzgesetz findet sich eine umfangreiche Auflistung von Tätigkeiten, die tabu sind, beispielsweise:

  • Fließband- und Akkordarbeit
  • das regelmäßige Heben von Lasten, die schwerer sind als fünf Kilogramm oder das gelegentliche Heben von Lasten mit mehr als zehn Kilo Gewicht8
  • das Arbeiten mit gesundheitsgefährdenden Stoffen, Strahlen, Gasen, Dämpfen und mit Staub
  • die Beschäftigung bei Kälte und Hitze
  • eine stehende Tätigkeit über mehr als vier Stunden ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat9

Bei Schwangeren, die während der Arbeit überwiegend stehen, staut sich das Blut aufgrund der Schwerkraft in den Beinen, statt in den Blutkreislauf gepumpt zu werden. Ist die Schwangerschaft bereits weiter fortgeschritten, drückt zudem im Stehen das Babyköpfchen gegen die Wirbelsäule. Die Durchblutung wird so ebenfalls eingeschränkt.

Wussten Sie´s?

Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, Sie für regelmäßige Untersuchungstermine beim Arzt bei vollem Lohn freizustellen. Die Arbeitszeit muss weder vor- noch nachgearbeitet werden und auch die Anrechnung auf Urlaubstage ist unzulässig.

Arten von Beschäftigungsverboten in der Schwangerschaft


Beschäftigungsverbot ist gleich Beschäftigungsverbot? Nicht ganz. Es kann zum Beispiel von verschiedenen Seiten ausgesprochen werden. Die wichtigsten im Überblick.

Betriebliches Beschäftigungsverbot

Dieses spricht der Arbeitgeber in der Schwangerschaft aus, wenn er nicht dafür Sorge tragen kann, dass für Sie und Ihr Baby keine Gefährdungen bestehen. Sprich: Die Anforderungen, den Arbeitsplatz durch Schutzmaßnahmen entsprechend umzugestalten, bleiben unerfüllt und es ist auch keine anderweitige Beschäftigung innerhalb des Unternehmens möglich.

Ärztliches Beschäftigungsverbot

Der Arzt bescheinigt, dass es besser ist, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt zu arbeiten. Interessant: Nicht nur Frauenärzte stellen ein Beschäftigungsverbot in der Schwangerschaft aus, sondern auch Kollegen anderer Fachrichtungen, beispielsweise Orthopäden.

Absolutes Beschäftigungsverbot

Arbeitnehmerinnen dürfen generell acht Wochen nach der Entbindung nicht arbeiten.10 Ein früherer Arbeitsbeginn ist nur möglich bei Totgeburten, wenn die Frau ausdrücklich früher wieder arbeiten gehen will.
Hingegen verlängert sich die Schutzfrist auf zwölf Wochen, bei

  • Frühgeburten,
  • Mehrlingsgeburten und
  • wenn vor Ablauf von acht Wochen nach der Geburt ein Arzt eine Behinderung beim Kind feststellt.

Auch die Zeit vor der Geburt des Kindes ist klar geregelt. Niemand muss schwanger bis zur „Deadline“, dem errechneten Entbindungstermin, arbeiten. Die Mutterschutzfrist beginnt sechs Wochen vorher.11 Die wenigsten Babys halten sich allerdings an den errechneten Entbindungstermin, sondern machen sich auch mal früher auf den Weg.

Die Anzahl an Tagen, die das Baby zu früh gekommen ist, wird an die nachgeburtliche Mutterschutzfrist (acht Wochen) angehängt. Übrigens: Im Gegensatz zum absoluten Beschäftigungsverbot nach der Entbindung dürfen Sie während der vorgeburtlichen Schutzfrist arbeiten, wenn Sie dem ausdrücklich zustimmen.

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Julia Lindert Die Ressortjournalistin Julia Lindert spezialisierte sich während ihres Studiums auf die Themenfelder Medizin und Biowissenschaften. Medizinische Sachverhalte in verständlicher Sprache zu formulieren, ist das, was sie an ihrer Arbeit besonders mag. Ihr Credo in Bezug auf Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten: Nichts beschönigen, aber auch keine unnötigen Ängste schüren. Julia Lindert Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
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