Wann ist ein Baby ein Frühchen?
Je nach Definition werden Babys als Frühgeburt bezeichnet, wenn
- sie vor der abgeschlossenen 37. Schwangerschaftswoche (geburtshilfliche Definition) oder
- mit weniger als 2.500 Gramm (Definition der Weltgesundheitsorganisation) zur Welt kommen.1
Und das ist gar nicht so selten. Im Jahr 2016 wurden circa neun Prozent der Kinder vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche entbunden.2 Je früher das Baby geboren wird, desto intensiver muss die medizinische Versorgung, beispielsweise die Unterstützung der lebensnotwendigen Körperfunktionen, sein. Optimal betreut werden die Frühchen in einem sogenannten Perinatalzentrum. Das ist ein Zusammenschluss der Geburtsmedizin und der Neonatologie, einem Spezialbereich der Kinder- und Jugendmedizin mit Fokus auf der Behandlung von Frühgeborenen.
Welche Ursachen gibt es für eine Frühgeburt?
Die Ursachen, ein Frühchen in den Armen zu halten, sind sehr vielfältig. Auch wenn es ein paar beeinflussbare Risikofaktoren für eine Frühgeburt gibt – beispielsweise eine gesundheitsschädliche Lebensführung durch Nikotin- oder Alkoholmissbrauch –, sind es häufig Ursachen, die von der Mutter nicht kontrolliert werden können. Beispiele hierfür sind:
- Mehrlingsschwangerschaft: Zwei oder drei Babys brauchen mehr Platz als eines. Die Gebärmutter wird sehr stark beansprucht, da sie sich weiter dehnen muss. Muskelrezeptoren nehmen diese Reize auf und „interpretieren“, dass die Schwangerschaft schon weiter fortgeschritten sei, als sie tatsächlich ist, woraufhin der Körper das Wehenhormon Oxytocin ausschüttet.
- Geschädigte Plazenta (Mutterkuchen): Das Kind wird nicht mehr richtig versorgt, die Geburt muss eingeleitet werden.
- Zu viel Fruchtwasser (Polyhydramnion): Auch eine Vermehrung der Fruchtwassermenge auf mehr als 1,5 bis 2 Liter kann eine Frühgeburt auslösen.3 Gründe hierfür sind beispielsweise mütterliche Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder Infektionskrankheiten. Zum Vergleich: In der 36. Schwangerschaftswoche ist eine Fruchtwassermenge von einem Liter normal.4
- Infektionen: Eine Frühgeburt droht, wenn die Schwangere unter einer Infektion leidet, wie beispielsweise Syphilis (Geschlechtskrankheit), Toxoplasmose (unter anderem übertragen durch Katzenkot), Röteln, Hepatitis oder HIV.
- Aufsteigende Genitalinfektionen: Es ist möglich, dass Keime aus der Scheide, wie zum Beispiel bei einer bakteriellen Vaginose, nach oben zur Gebärmutter gelangen und dort wehenauslösende Substanzen freisetzen.
- Psychische Belastung: Mediziner nehmen an, dass bei etwa 50 Prozent der Frauen Stress oder Überforderung zu vorzeitigen Wehen geführt haben könnten.5
- Alter: Unter 18-Jährige und über 35-Jährige zählen zur Risikogruppe.6
Nach einer Frühgeburt erhöht sich das Risiko, dass es auch das zweite Kind eilig hat, um 25 Prozent. Bei zwei Frühgeburten steigt die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Frühgeburt um die Hälfte.7
Medizinwissen kompakt: Unterscheidung von Frühgeburten
Elektive Frühgeburt: Ist das Baby gefährdet, da es beispielsweise im Mutterleib nicht mehr richtig versorgt wird, ist eine frühzeitige Geburt erforderlich. Das Baby muss per Kaiserschnitt oder durch die Einleitung der Wehen geholt werden.
Spontane Frühgeburt: Die Wehen setzen selbstständig ein.
Ist es möglich, eine Frühgeburt zu vermeiden?
Schwangere haben es grundsätzlich nicht gänzlich in der Hand, ob sich das Baby zu früh auf den Weg macht oder nicht. Doch neben den unbeeinflussbaren Risiken gibt es ein paar grundlegende Dinge, auf die Frauen hinsichtlich der Vermeidung einer Frühgeburt achten sollten – teilweise auch schon vor der Schwangerschaft:
- für rauchfreie Umgebung sorgen
- auf Nikotin, Alkohol und Drogen verzichten
- auf gesunde Lebensweise achten (beispielsweise ausgewogene Ernährung)
- Infekte frühzeitig behandeln lassen
- vom Arzt verordnete Schonung beziehungsweise Bettruhe ernst nehmen
- sich an arbeitsschutzrechtliche Vorgaben halten (zum Beispiel ist das Heben schwerer Lasten nicht mehr erlaubt)
- regelmäßige Kontrolltermine beim Frauenarzt wahrnehmen
Der Gynäkologe kann mittels Ultraschall die Länge des Gebärmutterkanals millimetergenau messen. Ist dieser in der 28. Schwangerschaftswoche noch über 30 Millimeter lang und der Muttermund geschlossen, können Schwangere dahingehend beruhigt werden, dass höchstwahrscheinlich bis zur 38. Schwangerschaftswoche Wehen ausbleiben.8
Anzeichen, dass sich ein Frühchen ankündigen könnte
Es gibt Warnsignale, die auf eine Frühgeburt hindeuten:
- vorzeitige Verkürzung des Gebärmutterhalses auf weniger als 2,5 Zentimeter9
- Wehen setzen zu früh ein (drei oder mehr pro Stunde vor der 38. Schwangerschaftswoche10)
- zu frühes Platzen der Fruchtblase, Verlust von Fruchtwasser
- Abgang von blutigem Schleim
Beim Bemerken dieser Anzeichen sollten Sie umgehend Ihren Frauenarzt aufsuchen oder ins Krankenhaus gehen. Der Arzt stellt eine Diagnose, indem er einen Ultraschall macht, eine vaginale Untersuchung vornimmt oder eine Kardiotokografie (CTG) veranlasst, mit dem neben den Herztönen des Kindes auch die Wehentätigkeit aufgezeichnet wird. Ein bakteriologischer Abstrich kann Klarheit schaffen, ob eine Infektion Grund für die vorzeitige Wehentätigkeit ist.
So sieht die Therapie aus
Nur, wenn die medizinische Notwendigkeit besteht und Vor- sowie Nachteile sorgfältig abgewogen worden sind, wird die Geburt vorzeitig eingeleitet. Ansonsten stehen Maßnahmen, die die Schwangerschaft verlängern und die das Baby so gut wie möglich auf das Leben außerhalb des Mutterleibes vorbereiten, im Vordergrund:
- wehenhemmende Medikamente (nicht mehr empfohlen nach Erreichen von Schwangerschaftswoche 33 + 6)11
- Medikamente zur Beschleunigung der Lungenreifung des Babys
- bei bestehendem Infektionsrisiko für die werdende Mutter und/oder das Baby Gabe von Antibiotika
- operativer Verschluss des Gebärmutterhalses (Zerklage) bei nachgewiesener vorzeitiger Verkürzung des Gebärmutterhalses (Zervixinsuffizienz)
Darüber hinaus kann der Arzt auch strenge Bettruhe oder die stationäre Aufnahme im Krankenhaus verordnen.
Jeder Tag im Mutterleib zählt
Für das Frühchen und seine Entwicklung ist jeder Tag wichtig, den es noch in Mamas Bauch verbringen kann. Beispielsweise steigt die Wahrscheinlichkeit, zu überleben, für Babys in der 25. Schwangerschaftswoche um fünf Prozent pro Tag.12
Frühchen: Wie ihnen bei der Entwicklung geholfen wird
Die Betreuung der Frühchen findet in Perinatalzentren auf Intensivstationen statt, die auf die Bedürfnisse der Kleinen eingerichtet sind. Rund um die Uhr tun Spezialisten alles dafür, die Frühchen in ihrer körperlichen Entwicklung zu unterstützen. Eine ruhige Atmosphäre ist wichtig: Grelles Licht und übermäßige, technische Geräusche werden vermieden.
Frühchen sind noch nicht ausreichend auf das Leben außerhalb des Mutterleibes vorbereitet. Je nachdem, in welcher Schwangerschaftswoche sie zur Welt gekommen sind, ist bei Frühchen die Entwicklung der Lunge noch nicht ausgereift oder sie können noch nicht selbstständig atmen und müssen daher künstlich beatmet werden. Sie kühlen zudem sehr schnell aus.
Viele Frühgeborene liegen daher in einem Inkubator („Brutkasten“). Milch und spezielle Nährlösungen erhalten die Babys über Infusionen oder eine Magensonde (ein dünner Schlauch, den Ärzte über Nase oder Mund in den Magen des Babys einführen). Ist das Baby fit und stabil genug, selbst zu trinken, kann die Mutter es stillen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, abgepumpte Muttermilch mit der Flasche zu füttern.
Körperkontakt zu den Eltern
Auch wenn Frühchen zerbrechlich wirken und Eltern möglicherweise Angst haben, ihrem Kind weh zu tun, brauchen sie den Körperkontakt zu Mama und Papa. Vor allem direkter Hautkontakt wirkt zugleich beruhigend sowie stimulierend und hilft somit bei der Entwicklung der Frühchen. Eine Methode dafür, die zudem auch die Eltern-Kind-Bindung stärkt, ist das sogenannte Känguruhen. Dazu liegt das bis auf die Windel entkleidete Baby auf dem nackten Oberkörper der Eltern.
Hilfen für Familien bei Frühgeburten
Freude über die Geburt und Angst sowie Sorge um das Frühgeborene liegen nah beisammen. Nicht selten finden sich Familien von frühgeborenen Babys plötzlich in einer Ausnahmesituation wieder, vor allem, wenn daheim Geschwisterkinder warten. Es gibt einige Angebote, die den Eltern zumindest einen kleinen Teil der Belastung abzunehmen versuchen.
Hilfen finanzieller Art, die Sie bei Ihrer Krankenkasse beantragen müssen, sind zum Beispiel die Übernahme von Fahrtkosten zum Krankenhaus oder die Vermittlung einer Tagesmutter, die sich um das Geschwisterchen zu Hause kümmert, während Sie im Krankenhaus sind. Auch eine Haushaltshilfe kann Ihnen zumindest ein bisschen den Rücken freihalten.
Musteranträge oder Formulierungshilfen – sei es beispielsweise zum Anspruch auf Familienentlastenden Dienst oder zum Beantragen einer Mutter-Kind-Kur – finden Sie auf der Homepage des Bundesverbandes „Das frühgeborene Kind“ e.V. Es gibt spezielle kostenfreie Angebote der pädagogischen und therapeutischen Frühförderung für Kinder, die es am Anfang etwas zu eilig hatten.
Wer die Kosten dafür trägt (infrage kommen etwa Krankenkassen, Jugendhilfeträger oder Ministerien), ist jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Das örtliche Jugendamt gibt Auskunft über die Genehmigungsverfahren und Kostenübernahme.
Hilfen - Telefonnummern und Websites auf einen Blick
- Die kostenfreie Nummer gegen Frühchen-Kummer: 0800 - 875 877 0 (Hotline des Bundesverbands „Das frühgeborene Kind“)
Am Ende der Leitung warten Menschen mit Frühchen-Erfahrung, die Ihnen helfen können und Ihre Situation selbstverständlich vertraulich behandeln.
- Informationsforum www.fruehchen-portal.de
In Erfahrungsberichten schreiben Frühcheneltern über ihre persönliche Geschichte. Außerdem gibt es viele hilfreiche Artikel mit breitem Themenspektrum, sei es über die Hautpflege bei Frühchen, anstehende Arztbesuche nach der Entlassung oder Frühchenernährung.
- Selbsthilfegruppen und Initiativen (Bundesverband „Das frühgeborene Kind“)
Hier können Eltern die Postleitzahl ihres Wohnortes in eine Suchmaske eintippen und bekommen so Selbsthilfegruppen in ihrer Nähe samt Ansprechpartner, Adresse und Kontaktmöglichkeit angezeigt.