Woher hat mein Baby seinen Charakter: Angeboren, ererbt oder anerzogen?
Fest steht – jedes Baby ist einmalig und bringt eine ordentliche Portion Charakter mit auf diese Welt. Fachleute sprechen allerdings zu diesem frühen Zeitpunkt von "frühkindlichem Temperament" und nicht von der Persönlichkeit oder Psyche eines Kindes. Das Baby-Temperament legt erst einmal nur Tendenzen an den Tag. Ein Kind ist ruhiger, das andere bewegungsfreudiger, das Dritte kommt schon mit einer kleinen Zornesfalte auf der Stirn auf die Welt und zeigt früh erste Rockstar-Allüren.
So wie körperliche Merkmale werden auch Intelligenz und Charaktereigenschaften wie Ängstlichkeit oder Aggressivität vermutlich über die Gene der Eltern an ihr Baby weitergegeben. Grundlage für den Bauplan des Lebens ist die DNA, die sich in Form von Chromosomen in jeder Körperzelle findet. Ein Baby trägt zu 50 Prozent mütterliche und zu 50 Prozent väterliche DNA in sich. Doch einen ähnlich großen Einfluss wie die Gene scheinen Umweltfaktoren zu haben.4 Zum Beispiel:
- soziale Verhältnisse
- familiäre Umstände und Erziehung
- Schule und Ausbildung
- kulturelle Einflüsse wie Religion
- persönliche Erfahrungen
Ein Kessel Buntes also – die psychische Entwicklung eines Menschen ist ein sehr individuelles und komplexes Zusammenspiel von Erbanlagen, Familie, Umfeld und eigenem Erleben und Handeln.
Beim Umgang mit den Geschwisterkindern oder später im Kindergarten zeigen sich die Charaktereigenschaften nach und nach immer intensiver. Gerade in der Gruppe stellt sich schnell heraus, ob ein Kind eher introvertiert oder extrovertiert, gefühlsbetont, ein bisschen gemütlich oder sehr aktiv ist.
Was ist ein High-Need-Baby?
Ein High-Need-Baby ist ein Baby, das besonders viel Aufmerksamkeit, Nähe und Beruhigung benötigt. Diese Babys sind oft sehr sensibel, schlafen wenig, lassen sich schwer ablegen und reagieren intensiv auf Reize. Sie fordern rund um die Uhr Nähe und haben ein starkes Bedürfnis nach Körperkontakt. Eltern von High-Need-Babys stehen vor besonderen Herausforderungen, da herkömmliche Beruhigungsmethoden oft nicht ausreichen. Wichtig sind Geduld, Verständnis und individuelle Lösungen, um die Bedürfnisse des Babys bestmöglich zu erfüllen.
So prägen Eltern die Psyche und den Charakter ihres Kindes
Ab dem Moment, in dem Eltern ihr Baby zum ersten Mal in die Arme schließen, prägen sie die psychische und charakterliche Entwicklung ihres Kindes. Das Vertrauen ihres Babys in sie und die Welt wird bestärkt, indem es erfährt, dass Mama oder Papa verlässlich herbeieilen, wenn es schreit, und es füttern, feinfühlig trösten und liebevoll umsorgen.
Für den Münchner Kinder- und Jugendpsychiater und Bindungsforscher Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch ist Urvertrauen die entscheidende Grundlage für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung. Er unterstützt Eltern, die Psyche ihres Babys richtig zu verstehen und gesundes Vertrauen aufzubauen.
Brisch äußert sich zum Thema Urvertrauen folgendermaßen: „Mit einer sicheren Bindung werden die Eltern große Freude an ihrem Kind haben, weil sicher gebundene Kinder eine bessere Sprachentwicklung haben, flexibler und ausdauernder Aufgaben lösen, sich in die Gefühlswelt von anderen Kindern besser hineinversetzen können, mehr Freundschaften schließen und in ihren Beziehungen voraussichtlich glücklichere Menschen sein werden.“1 Sie dürfen Ihr Baby im ersten Lebensjahr also ohne schlechtes Gewissen verwöhnen!
Stark für das Leben mit sechs einfachen Regeln
Ohne es mit der Frühförderung zu übertreiben, können Sie die Psyche und die Gehirnentwicklung Ihres Babys und Kleinkindes mit einfachen Mitteln positiv beeinflussen.
Sechs goldene Regeln für ein starkes Leben:
- Gönnen Sie Ihrem Kind häufig Hautkontakt und Streicheleinheiten.
- Machen Sie Bewegungs- und Fingerspiele, bieten Sie unterschiedliche Spielmöglichkeiten.
- Schaffen Sie eine farbenfrohe und belebte Umgebung.
- Fordern Sie Ihr Kind und geben Sie ihm interessante Aufgaben.
- Schenken Sie Ihrem Kind positive Zuwendung und Aufmerksamkeit.
- Sprechen Sie viel mit Ihrem Kind und hören Sie ihm aufmerksam zu.
So helfen Sie Ihrem Kind seinen Charakter zu stärken, sich gut emotional und sozial zu entwickeln und auch mit starken Gefühlen wie Wut, Traurigkeit und Frust umgehen zu können.
Vom Baby zur Persönlichkeit – positive Formulierungen machen den Charakter stark
Der Psychologe und Buchautor Steve Biddulph beschreibt in seinem Elternratgeber ‚Das Geheimnis glücklicher Kinder‘ wie Eltern die Psyche ihres Kindes ab dem Babyalter allein durch Sprache unbewusst prägen.2 Biddulph rät Eltern unter anderem, darauf zu achten, wie sie etwas sagen und positive Formulierungen zu verwenden.
Klettert ein Kind beispielsweise auf einen Baum und Mama ruft: „Fall nicht vom Baum“, muss das Kind unmittelbar an zwei Dinge denken: „nicht“ und „vom Baum fallen“. Gleichzeitig stellt es sich lebhaft vor, wie es wäre, vom Baum zu fallen, und läuft so tatsächlich eher Gefahr herunterzufallen. Besser wäre eine positive Formulierung wie: “Halte dich gut fest“. Das Kind lernt so positiv zu denken und sich vorzustellen, was es tun soll – und nicht, was es nicht tun soll.
Du bist, was Mama isst: Essverhalten und Geschmacksbildung werden vorgelebt
Kinder brauchen Vorbilder – sie orientieren sich in vielen Verhaltensweisen nicht daran, was Mama und Papa ihnen erzählen, sondern was sie von den Erwachsenen konkret vorgelebt bekommen. Auch beim Essverhalten vermischen sich angeborene Vorlieben und Prägungen von außen. Kinder übernehmen gerne die Geschmacksvorlieben und Ernährungsgewohnheiten der Eltern
Mir reicht‘s, ich geh schaukeln! Freiraum für glückliche Kinder und glückliche Eltern
Gesunde Kinder sind laut, turbulent und bewegen sich gerne. Wenn es Ihnen gelingt, dafür zu sorgen, dass Ihr Baby und heranwachsendes Kind viel Bewegung an der frischen Luft bekommt und seine körperlichen Fähigkeiten testen und trainieren kann, fördern Sie seine Ausgeglichenheit.
Bewegung ist für den Körper gut, sorgt für eine gesunde Kinderseele und beugt einer kindlichen Depression vor. Zahlreiche Studien belegen die positiven Auswirkungen von Bewegung auf die kindliche Psyche, so zum Beispiel die "Trondheim Early Secure Study" von 2017.3 Was für Kinder gut ist, gilt übrigens auch für Eltern – achten Sie auf sich und Ihr Wohlbefinden, denn nur, wenn es Ihnen gut geht, können Sie auch voll und ganz für Ihr Kind da sein.
Häufig gestellte Fragen zum Charakter des Babys
Babys entwicklen ihren Charakter quasi schon im Mutterleib. Die Persönlichkeit eines Kindes wird sowohl durch seine Gene, als auch durch Umweltfaktoren wie Erziehung, Kultur, Bildung und persönlichen Erfahrungen geprägt. Bei Babys sprechen Experten noch von "frühkindlichem Temperament" und noch nicht von "Charakter", da in diesem Alter vorerst nur Tendenzen der Persönlichkeit sichtbar sind.
Ja, zum Teil ist der Charakter vererbt beziehungsweise angeboren. Es gibt jedoch kein bestimmtes Gen für Persönlichkeitseigenschaften wie zum Beispiel Mut oder Schüchternheit. Vielmehr es ein Zusammenspiel aus sehr vielen verschiedenen Genen und noch nicht zur Gänze erforscht. Eine vermutlich ebenso große Rolle wie die Gene spielen Umweltfaktoren wie Erziehung, Kultur und persönliche Erfahrungen.
Als sogenannte "High Need Babys" werden Kinder bezeichnet, die besonders viel Aufmerksamkeit sowie Nähe einfordern und eher unruhig und angespannt sind. Häufig reagieren solche Babys sehr empfindlich auf äußere Reize, erschrecken leicht und weinen viel. Wichtig sind Geduld, Verständnis und individuelle Lösungen, um die Bedürfnisse des Babys bestmöglich zu erfüllen.