Wann Mediziner von unerfülltem Kinderwunsch sprechen

Von einem unerfüllten Kinderwunsch wird in der Medizin allgemein dann gesprochen, wenn nach über 12 Monaten ungeschütztem und regelmäßigem Geschlechtsverkehr die Schwangerschaft ausbleibt.3

Die Ursachen für unerfüllten Kinderwunsch sind vielfältig


Eine ungeplante Kinderlosigkeit kann für viele Paare eine emotionale und belastende Erfahrung sein. Oft stellt sich nach Monaten oder sogar Jahren des Versuchens die Frage: „Warum klappt es bei uns nicht?“ An einer Schwangerschaft sind jedoch Unmengen an Faktoren beteiligt, unter anderem das Timing, Umwelteinflüsse und die Gesundheit von Frau und Mann. Im Umkehrschluss gibt es somit auch unzählige Ursachen, die zu einem unerfüllten Kinderwunsch führen können: 

  • Hormonelle Störungen der Frau: Der Menstruationszyklus ist komplex und wird durch ein Zusammenspiel verschiedener Hormone gesteuert. Kommt es hier zu einem Ungleichgewicht, kann das Einfluss auf die Reifung der Eizellen, den Eisprung und die Funktion der Gebärmutter haben. Weitere Störungen, wie zum Beispiel eine Schilddrüsenunter- oder -überfunktion sowie Diabetes können ebenfalls die Eizellreifung beeinträchtigen.4 
  • Alter: Das Alter spielt bei der weiblichen Fruchtbarkeit eine entscheidende Rolle. Bereits ab dem 30. Lebensjahr nimmt die Anzahl und Qualität der Eizellen ab.5 Dies führt dazu, dass es mit zunehmendem Alter schwieriger wird, schwanger zu werden. Bei Männern sinkt die Qualität der Spermien ebenfalls mit dem Alter (etwa ab 40 Jahren)vi, allerdings verläuft dieser Prozess langsamer. 
  • Eileiterschädigungen und Endometriose: Blockierte oder beschädigte Eileiter verhindern, dass die Eizelle und das Spermium auf natürlichem Weg aufeinandertreffen. Solche Probleme können durch Entzündungen, Operationen oder Infektionen entstehen. Eine weitere mögliche Ursache ist Endometriose – eine Erkrankung, bei der die Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter wächst und zu Schmerzen und eingeschränkter Fruchtbarkeit führen kann. 
  • Spermienqualität: Bei Männern ist die Qualität der Spermien entscheidend für die Fruchtbarkeit. Zu wenig Spermien, eine eingeschränkte Beweglichkeit oder eine abnorme Form verringern die Chancen auf eine Befruchtung (Fertilisation). Solche Probleme können angeboren sein, aber auch durch Erkrankungen, einen ungesunden Lebensstil oder übermäßigen Stress verursacht werden. 
  • Lebensstil und Umwelteinflüsse: Ihr Lebensstil hat einen großen Einfluss auf Ihre Fruchtbarkeit. Starkes Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung oder Übergewicht, Leistungssport und schwere körperliche Arbeit können die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen. Auch übermäßiger Stress und psychische Belastungen stören den Hormonhaushalt. Zudem beeinträchtigen Umwelteinflüsse, wie etwa Schadstoffe oder bestimmte Chemikalien, die Fruchtbarkeit. 
  • Ungeklärte Ursachen: In einigen Fällen bleibt die Ursache der Kinderlosigkeit ungeklärt. Dies kann besonders frustrierend sein, da alle Untersuchungen scheinbar normale Ergebnisse zeigen, aber die ersehnte Schwangerschaft dennoch ausbleibt. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, nicht den Mut zu verlieren und gemeinsam mit Fachärzten nach möglichen Behandlungsoptionen zu suchen.
Infografik zu Risikofaktoren für die Fruchtbarkeit bei unerfülltem Kinderwunsch.

Die Unterscheidung zwischen Sterilität und Infertilität

Sterilität (Unfruchtbarkeit) bedeutet, dass keine Schwangerschaft eintritt. Die Ursachen der Zeugungsunfähigkeit liegen hier zu jeweils einem Drittel beim Mann, der Frau oder beiden.7

Bei der Infertilität kommt es zwar zu einer Schwangerschaft, diese kann jedoch nicht ausgetragen werden. Beispielsweise, weil mehrmalige Fehlgeburten auftreten.

Je nach Literaturquelle werden die Begrifflichkeiten aber auch synonym verwendet.

Die Diagnostik bei ausbleibender Schwangerschaft


Die Diagnostik der Kinderwunschbehandlung beginnt in der Regel mit einem ausführlichen Gespräch bei Ihrem behandelnden Arzt. In diesem Gespräch werden die Eltern nach ihrer medizinischen Vorgeschichte und ihrem Gesundheitszustand gefragt. Themen wie der Zyklusverlauf, frühere Schwangerschaften, Erkrankungen, Lebensstil und mögliche Belastungsfaktoren spielen hierbei eine Rolle. 

Anschließend folgt eine körperliche Untersuchung, bei der der Arzt oder die Ärztin einen ersten Überblick über mögliche Ursachen gewinnen kann. Infrage kommen beispielsweise:  

  • Abtasten der Genitalorgane von Mann und Frau, Urin-Untersuchung und vaginaler Abstrich, um Hinweise auf Infektionen, Entzündungen oder Krankheiten zu erhalten. 
  • Ultraschalluntersuchung der Gebärmutter und der Eierstöcke zur Beurteilung der Struktur und Funktion der Fortpflanzungsorgane. Der Arzt kann erkennen, ob Eizellen regelmäßig heranreifen und ob die Gebärmutterschleimhaut bereit ist, eine befruchtete Eizelle aufzunehmen. Zudem werden Störungen wie Zysten oder Verwachsungen so entdeckt. 
  • Hormonuntersuchung (endokrinologische Untersuchung) des Blutes zur Überprüfung der Hormonproduktion von beispielsweise Androgenen, Östradiol, follikelstimulierende Hormone (FSH), Progesteron und Schilddrüsenhormonen. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Zyklus und der Fruchtbarkeit. 
  • Bei Männern erfolgt die Untersuchung der Fruchtbarkeit vor allem durch die Analyse des Spermas. Hierbei erstellt der Arzt das sogenannte Spermiogramm, bei dem die Anzahl, Beweglichkeit und Form der Spermien geprüft werden. Auch ein Ultraschall des Hoden und hormonelle Untersuchungen können bei Männern hilfreich sein. 

In einigen Fällen sind weiterführende Untersuchungen notwendig. Dazu gehören zum Beispiel eine Gebärmutterspiegelung (Hysteroskopie), bei der der Arzt die Gebärmutter von innen betrachtet, oder eine Bauchspiegelung (Laparoskopie), um mögliche Verwachsungen oder Endometrioseherde im Bauchraum zu erkennen. Auch die Durchgängigkeit der Eileiter und der Gebärmutter können überprüft werden, etwa durch eine spezielle Ultraschalluntersuchung oder eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel.

Zudem ist eine Biopsie des Hoden möglich, um herauszufinden, ob grundsätzlich Spermien produziert werden. Ebenso wie die Durchführung einer genetischen Fruchtbarkeitsuntersuchung, bei der mithilfe eines Bluttests ausgeschlossen wird, dass Erkrankungen wie das Klinefelter-Syndrom (angeborene Chromosomenanomalie) oder andere Störungen vorliegen. 

Psychische Belastung durch unerfüllten Kinderwunsch


Seit Jahren liiert, aber noch immer zeichnet sich kein Babybauch ab – ungewollt kinderlose Paare sind häufig konfrontiert mit der Erwartungshaltung der Gesellschaft und der eigenen Familie. Auch gegenseitige Vorwürfe innerhalb der Partnerschaft, die Angst, verlassen zu werden und starke Selbstzweifel können eine Rolle spielen.  

Es gibt durchaus Paare, die gut mit dem Wissen umgehen können, keine eigenen Kinder zu bekommen. Sie schmieden andere Zukunftspläne oder setzen sich intensiv mit alternativen Perspektiven wie  

  • einem Pflegekind oder  
  • einer Adoption auseinander.  

Gelingt das nicht, ist meist nicht nur die Kinderlosigkeit selbst psychisch belastend, sondern auch der oft langwierige Weg durch medizinische Behandlungen. Viele Betroffene erleben starke Stressgefühle, besonders in der Zeit zwischen einer möglichen (künstlichen) Befruchtung und dem Schwangerschaftstest.  

Und auch der finanzielle Aspekt ist für viele Paare eine Herausforderung. Denn Krankenkassen erstatten die Kosten einer Kinderwunschbehandlung nur anteilig und nur nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (zum Beispiel der Vorlage von Bescheinigungen über die medizinische Notwendigkeit). Erfolglose Therapien führen daher häufig verstärkt zu Depressionen, Ängsten und finanziellen Sorgen.8  

Sich gegenseitig unterstützen

Auch in der Partnerschaft kann es zu psychosozialen Krisen kommen. Oft kommunizieren Männer und Frauen unterschiedlich über ihre Emotionen, was Missverständnisse fördert. Es ist wichtig, dass beide Partner offen miteinander sprechen und sich gegenseitig unterstützen. Ein starker Zusammenhalt kann die Belastung abfedern und die Beziehung sogar stärken. Vergessen Sie nicht, dass auch psychologische Hilfe – beispielsweise durch eine Beratung oder durch das Gespräch mit einem Arzt – eine wertvolle Stütze darstellen kann.

Hilfe finden, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt


Bei ausbleibender Schwangerschaft kann es ratsam sein, frühzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Spezialisierte Fruchtbarkeitskliniken können Sie und Ihren Partner umfassend untersuchen, um mögliche Ursachen zu identifizieren. In vielen Fällen gibt es Behandlungsmöglichkeiten, die die Chancen auf eine Schwangerschaft erheblich erhöhen können, sei es durch medikamentöse Unterstützung, operative Eingriffe oder Verfahren wie die künstliche Befruchtung (Fertilisation). 

Parallel dazu ist es wichtig, offen über Ihre Gefühle und Sorgen zu sprechen – sei es mit Ihrem Partner, engen Freunden oder einem Therapeuten. Auch folgende Selbsthilfestrategien können hilfreich sein: 

  • bewusstes Setzen einer zeitlichen Grenze für Behandlungsmethoden bei Fruchtbarkeitsstörungen (beispielsweise Hormontherapie oder Intrazytoplasmatische Spermieninjektion, eine Methode der künstlichen Befruchtung) 
  • Stärkung des Vertrauens in den eigenen Körper (versuchen, sich von Gedanken zu distanzieren, die nur um das kreisen, was nicht funktioniert) 
  • Einplanung von Zeit für sich und all das, was Ihnen guttut (wie Hobbys, Freundschaften, Sport) 

Reicht aber die Selbsthilfe gegen den inneren Druck nicht aus und treten beim unerfüllten Kinderwunsch oder während der Kinderwunschbehandlung sogar Depressionen oder depressive Verstimmungen auf, ist es ratsam, sich professionelle Hilfe zu suchen. Zwar können Psychotherapeuten den Wunsch nach eigenen Kindern ebenfalls nicht erfüllen, doch sie zeigen in Gesprächen und mit Übungen, wie beispielsweise Konflikte mit dem Partner gelöst, Druck reduziert, Schuldgefühle abgelegt, mit Ängsten umgegangen und neue Perspektiven gefunden werden können.

Häufig gestellte Fragen zu unerfülltem Kinderwunsch


Welche Gründe gibt es, um nicht schwanger zu werden?

Es gibt viele Ursachen, die zu einem unerfüllten Kinderwunsch führen können. Dazu zählen hormonelle Störungen, genetische Faktoren, das Alter, Eileiterschädigungen, Endometriose, eine schlechte Spermienqualität sowie Lebensstilfaktoren wie Stress, Rauchen oder ungesunde Ernährung. In einigen Fällen bleibt die Ursache aber auch ungeklärt.

Kann die Psyche die Fruchtbarkeit bei unerfülltem Kinderwunsch beeinflussen?

Ja, die Psyche ist in der Lage, die Fruchtbarkeit zu beeinflussen. Starker emotionaler Stress, Angstzustände oder Depressionen können den Hormonhaushalt stören, was den Menstruationszyklus bei Frauen und die Spermienqualität bei Männern beeinträchtigt. Stress führt zudem zu ungesunden Lebensgewohnheiten, die ebenfalls die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen.

Welche Rolle spielt das Alter bei unerfülltem Kinderwunsch?

Das Alter hat einen großen Einfluss auf die Fruchtbarkeit, insbesondere bei Frauen. Ab dem 30. Lebensjahr nimmt die Anzahl und Qualität der Eizellen ab, wodurch es schwieriger wird, schwanger zu werden. Auch bei Männern sinkt die Spermienqualität mit dem Alter, jedoch langsamer.5

Was tun, wenn der Kinderwunsch unerfüllt bleibt?

Die besten Ansprechpartner sind der Gynäkologe und im Anschluss eine Kinderwunschklink. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, um die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen. Dazu gehören medikamentöse Therapien, operative Eingriffe und assistierte Reproduktionstechniken wie die künstliche Befruchtung.

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Julia Lindert Die Ressortjournalistin Julia Lindert spezialisierte sich während ihres Studiums auf die Themenfelder Medizin und Biowissenschaften. Medizinische Sachverhalte in verständlicher Sprache zu formulieren, ist das, was sie an ihrer Arbeit besonders mag. Ihr Credo in Bezug auf Krankheitsbilder und Therapiemöglichkeiten: Nichts beschönigen, aber auch keine unnötigen Ängste schüren. Julia Lindert Medizinredakteurin kanyo® mehr erfahren
Jana Welsner Zellfunktionen, Organsysteme und Krankheitsbilder – schon lange bevor Jana Welsner ihre Leidenschaft für das Schreiben entdeckte, zog die Funktionsweise des menschlichen Körpers sie in ihren Bann. Nach einer Ausbildung zur Sanitätshelferin und dem Studium des vorklinischen Abschnitts der Humanmedizin entschloss sie sich, Interesse und Leidenschaft zu kombinieren. Seit 2017 arbeitet sie nun bei kanyo® und beschäftigt sich dabei täglich mit dem weiten und spannenden Feld der Gesundheitslehre und Heilkunde. Jana Welsner Medizinredakteurin und Lebensmitteltechnologin kanyo® mehr erfahren
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