Mögliche Reizdarm-Ursachen auf einen Blick

  • Die Darmflora (bakterielle Besiedlung des Darms) ist nicht im Gleichgewicht.
  • Das sogenannte „Bauchhirn“ (enterisches Nervensystem), also die Verbindung zwischen Gehirn und Verdauungstrakt, ist gestört.
  • Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie eine Laktoseintoleranz lösen die Reizdarm-Symptome aus.
  • Der Reizdarm beim Kind kann als Ursache Mikroentzündungen der Darmwand und eine Überaktivität der Nerven haben. Eine viszerale Hypersensitivität kann entstehen.
  • Die Darmmotilität (Bewegung des Darms) ist erhöht oder erniedrigt.

Viszerale Hypersensitivität als mögliche Reizdarm-Ursache


Die viszerale Hypersensitivität beschreibt eine Überempfindlichkeit der Bauchorgane, in diesem Fall des Darms (intestinale Hypersensitivität). Schmerzen werden von Reizdarmpatienten im Gegensatz zu gesunden Menschen also viel intensiver und schneller wahrgenommen.

Verschiedene Nahrungsmittel (individuell, abhängig vom Patienten) können bei Vorliegen einer erhöhten Empfindlichkeit zu Bauchschmerzen führen. Der genaue Auslöser der Hypersensitivität ist noch nicht geklärt, Mediziner vermuten allerdings, dass eine Entzündung der Darmwand infolge einer Infektion (durch Viren, Bakterien oder Pilze) dahinterstecken könnte. Dieser Zusammenhang beruht auf folgender Annahme:

In der Darmwand enden Nerven, die sich normalerweise in einem Ruhezustand befinden. Kommt es zu einer Infektion und dadurch zu einer Entzündung, werden diese allerdings aktiv und alarmieren den Körper durch Schmerzen, dass etwas nicht stimmt. Bei Kindern mit Reizdarm liegt hier eine mögliche Ursache. Auch nach der Genesung und überstandener Infektion bleiben die Nerven aktiv, was wiederum für eine Überempfindlichkeit sorgt.

Lässt sich die Hypersensitivität des Darms messen?

Eine intestinale Hypersensitivität lässt sich mithilfe des Ballon-Tests feststellen. Dieser läuft wie folgt ab: Ein zunächst leerer Luftballon wird in den hinteren Darmabschnitt der Testperson eingeführt und langsam mit Luft gefüllt. Der Betroffene soll nun angeben, wann er den Ballon zu spüren beginnt und wann er den Druck als schmerzhaft empfindet. Patienten, die am Reizdarmsyndrom leiden, nehmen sowohl den anfänglichen Druck als auch den Schmerz deutlich früher wahr als gesunde Menschen. Diese herabgesetzte Wahrnehmungsschwelle ist eine der Ursachen für die mit dem Reizdarm verbundenen Beschwerden bei Kindern und Erwachsenen.

Motilitätsstörungen als Ursache eines Reizdarms beim Kind


Damit die aufgenommene Nahrung den Weg durch den Darm Richtung Ausgang findet und immer weitertransportiert wird, ist die Arbeit der Darmmuskeln unerlässlich. Diese Bewegungsfähigkeit wird auch als Darmmotilität bezeichnet und ist abhängig von der Muskulatur sowie von verschiedenen Nerven im Darm und Gehirn. Bei Erwachsenen und Kindern mit einem Reizdarm, könnte eine Motilitätsstörung die Ursache sein. Hier werden zwei Formen unterschieden:

  • Erhöhte Darmmotilität: Die Transportzeit des Nahrungsbreis ist verkürzt, wodurch es im Zuge des Reizdarmsyndroms zu Durchfall kommt (Diarrhö-Typ).
  • Erniedrigte Darmmotilität: Die Darmmuskeln arbeiten zu langsam und die mögliche Folge ist eine Verstopfung (Obstipations-Typ).

Ob eine Motilitätsstörung des Darms tatsächlich eine Ursache des Reizdarms ist, oder womöglich eine Folge der Erkrankung darstellt, ist noch nicht vollständig geklärt. Jedoch wird dem Hormon Serotonin eine wichtige Rolle bei Reizdarmpatienten zugeschrieben.

Serotonin – das Reizdarm-Hormon?

Serotonin ist auch als Wohlfühlhormon bekannt und bei vielen Prozessen im Körper beteiligt. Es sorgt beispielsweise für Herzklopfen, indem es die Herzfrequenz erhöht, und regelt den Schlaf-Wach-Rhythmus. Auch im Darm ist es unerlässlich: als Reaktion auf Dehnungsreize oder chemische Reize durch Nahrung wird es ausgeschüttet. Es ist zuständig für die Schmerzübermittlung und regelt unter anderem die Darmbewegung (Erhöhung der Motilität). Überschüssig freigesetztes Serotonin infolge eines hypersensitiven Darms kann Durchfall und eine herabgesetzte Schmerzschwelle hervorrufen.

Zwei Umstände als Reizdarm-Ursache nötig? Eine „Two-Hit Hypothese”


Zu den wichtigsten Ursachen des Reizdarms bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen gehört eine erblich-bedingte Anfälligkeit für die Erkrankung – in der Fachsprache auch genetischen Prädisposition genannt. Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass für den Ausbruch des Reizdarmsyndroms neben der Veranlagung ein zusätzliches krankheitsauslösendes Ereignis – ein sogenannter „Hit“ (englisch für Schlag) – erforderlich ist. Dabei kann es sich beispielsweise um

  • eine bakterielle Infektion im Magen-Darm-Trakt
  • oder eine gestörte Darmflora (beispielsweise nach der Einnahme von Antibiotika) handeln.

Experten vermuten, dass dieser „Hit“ zu einem Dominoeffekt führt: Das Immunsystem wird aktiviert, im Verdauungstrakt kommt es zur Ausschüttung von Signalmolekülen, die wiederum die Nerven des Darms erregen. Ist nun aus erblichen Gründen die Wahrnehmungsschwelle für Nervensignale herabgesetzt oder die Produktion der Botenstoffe verändert (Art oder Menge), können Motilitätsstörungen oder eine intestinale Hypersensitivität die Folge sein – das ist schließlich die Ursache für die typischen Reizdarm-Symptome wie Schmerzen oder Stuhlunregelmäßigkeiten.

Was ist die Darmflora?

Im Darm leben mehrere Billionen Bakterien und zusammen mit Pilzen bilden sie die sogenannte Darmflora. Die Zusammensetzung der verschiedenen Arten ist von Mensch zu Mensch anders. Sie unterstützen bei der Verdauung und schützen den Körper vor Krankheitserregern. Da ein Großteil des Immunsystems im Darm sitzt, ist die Darmflora auch hier ein wichtiger Bestandteil. Untersuchungen zeigten, dass viele Krankheiten mit einem gestörten Bakterienhaushalt im Darm in Verbindung gebracht werden können. Beispiele dafür sind Diabetes, Autoimmunerkrankungen, Krebs aber auch Depressionen. Eine veränderte Darmflora könnte auch eine Ursache eines Reizdarms bei Kindern und Erwachsenen sein.

Egal welche Ursache hinter dem Reizdarm des Kindes steckt, eine gesunde und angepasste Ernährung kann die Symptome und somit die Lebensqualität verbessern. Lassen Sie sich am besten von einem Kinderarzt beraten, welche Behandlung am geeignetsten ist.

Das könnte Sie auch interessieren:
Romina Enz Medizinische Fragestellungen sowie die Biologie des Menschen zählten schon immer zu ihren Leidenschaften – ein Grund, weshalb die Biologin Romina Enz von 2017 bis 2021 bei kanyo® arbeitete. Die tägliche Auseinandersetzung mit aktuellen Themen der Medizin in Kombination mit der Texterstellung bieten ihr als medizinische Online-Redakteurin die optimale Mischung aus Naturwissenschaft und Kreativität. Romina Enz Medizinredakteurin und Biologin kanyo® mehr erfahren