Von wegen Spaß: Wenn die Freizeit Kinder stresst


Das Kindsein hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Stand früher noch Spiel und Spaß im Fokus, ist die Freizeit heute pädagogisch durchgetaktet. Kinder verbringen Zeit in mehreren Sportvereinen, um Teamgeist und Fairness zu trainieren, lernen mit drei Jahren ihr erstes Instrument, damit sie ihre kognitiven Fähigkeiten ausbauen oder haben Nachhilfestunden, um noch besser in der Schule zu werden. Kein Wunder also, wenn Kinder immer öfter unter Freizeitstress leiden.

Mögliche Ursachen für Freizeitstress bei Kindern im Überblick


Die Freizeit ist bei vielen Kindern von vorne bis hinten durchgetaktet, um sie optimal zu fördern, sie immer zu unterhalten und sie nicht zu langweilen. Auf Dauer verlieren die betroffenen Kinder so zwischen Fußballtraining, Klarinettenunterricht und Nachhilfestunden ihre Freiheit. Doch, warum gehört der Freizeitstress heutzutage so häufig zum Kinderalltag dazu?

Häufige Gründe für Freizeitstress bei Kindern

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Falscher ElternehrgeizEltern sind ihrem Nachwuchs gegenüber oft besonders ehrgeizig. Soll dieser es doch besser haben als man selbst. So zwängen viele Eltern ihren Kindern – meist unbewusst – ihre eigenen unerfüllten Ziele auf: Erfolg beim Fußballtraining, herausragende Leistungen in der Musikschule oder exzellente Englischkenntnisse. Mit dieser Erwartungshaltung wird auf die Kinder Druck ausgeübt – selbst in ihrer freien Zeit.
LeistungsdruckDer in der Gesellschaft herrschende Leistungsdruck schreibt vor, dass gute Leistungen gleich Anerkennung und Erfolg bedeuten. Eltern und Kinder fühlen sich diesem Druck verpflichtet, standzuhalten. Bei vielen Freizeitaktivitäten spiegelt sich dieser Erfolgsgedanke wider. Beispielsweise bemühen sich die meisten Kinder, beim Fußball gut zu sein, um ihr Team und den Trainer nicht zu enttäuschen. Beim Musikunterricht setzen regelmäßige Auftritte die Kinder unter Druck.
Unbegrenzte Auswahl an MöglichkeitenNicht nur die Eltern neigen dazu, ihrem Kind viele Termine aufzubürden. Oft sind es auch die Kinder selbst, die sich zu viele Hobbys und Termine auf einmal zumuten. Das liegt oft daran, dass dem Nachwuchs heutzutage eine große Auswahl an Freizeitgestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung steht und es für sie schwierig ist, sich auf ein Hobby festzulegen. Dabei werden sie maßgeblich auch von ihren Freunden geprägt. Wenn die beste Freundin beispielsweise Ballett tanzt, möchten viele Kinder neben ihrem geliebten Handballtraining auch noch Tanzstunden nehmen.

Für Eltern ist die Freizeitgestaltung ihrer Kinder meist eine schmale Gratwanderung. Sie wollen ihre Kinder überall fördern, wo es geht und zu Leistung motivieren. Bei all dem Ansporn müssen Väter und Mütter jedoch auch klar darauf achten, diese nicht zu überfordern und ihnen genug Freiraum zu geben, um einfach Kind zu sein.

Folgen von zu viel Freizeitstress bei Kindern


Auch, wenn in dem Begriff „Freizeitstress“, das Wort „Freizeit“ enthalten ist und viele diesen deshalb nicht als gefährlich einstufen, handelt es sich dabei letztendlich auch um Stress. Dieser kann auf Dauer krankmachen und ist daher schädlich für unseren Nachwuchs. Kinder, die auch außerhalb der Schule ständig Leistung erbringen müssen, wie zum Beispiel nach Anweisungen ihres Fußballtrainers oder Musikschullehrers, sind deshalb nicht nur körperlich, sondern auch geistig erschöpft. Oft können Kinder jedoch selbst nicht feststellen, dass sie gestresst sind und eine Pause bräuchten, weil sie dieses Gefühl nicht richtig einordnen können. Umso wichtiger ist es daher, dass Eltern ihren Nachwuchs aufmerksam beobachten.

Kommen Phasen der Erholung und ausreichende Verschnaufpausen in der Freizeit zu kurz, stellen sich meist gesundheitliche Probleme durch Freizeitstress bei Kindern ein, auf die Eltern achten sollten. Diese Auswirkungen sind typisch:

  • Stimmungsschwankungen
  • Konzentrationsprobleme
  • Schlafstörungen
  • Kopfschmerzen
  • Magenbeschwerden

Diese gesundheitlichen Folgen von Freizeitstress können als eine Art Ventil des Körpers und gleichzeitig als Hilferuf interpretiert werden. Der Organismus ist durch den anhaltenden Stress und die ständige Ausschüttung der Stresshormone Cortisol und Adrenalin überlastet. Das Kind braucht dringend eine Ruhephase.

Wie können Eltern Freizeitstress bei Kindern verhindern?


„Wie viele Hobbys braucht ein Kind? Wo liegen die Grenzen zwischen optimal fördern und überfordern? Was können Eltern tun, damit Freizeitspaß nicht zu Freizeitstress bei Kindern führt?“ – diese Fragen schweben wohl vielen Eltern berechtigterweise im Kopf herum. Eine pauschale Antwort darauf gibt es aber nicht. Wichtig ist, dass Kinder in ihrer Freizeit genug Zeit haben, einfach ihre Kindheit zu genießen. Vor allem für Kinder, die bereits die Schule besuchen, ist es wichtig, neben dem Schulstress ausreichend Zeit für Erholung zu haben – das gelingt nur, wenn die Freizeitgestaltung nicht komplett mit Terminen durchgetaktet ist.

Kinder mit Freizeitgestaltung fördern, nicht überfordern


Es ist die Aufgabe der Eltern darauf zu achten, dass der Freizeitstress bei ihren Kindern nicht ausartet. Dafür ist es wichtig, dass diese stets hinterfragen, welche Anzahl an Hobbys für ihr Kind sinnvoll ist. Dabei sollte immer der Spaß des Kindes im Vordergrund stehen. Wichtig ist zudem, dass die ausgewählten Hobbys einen guten Ausgleich zum stressigen Schulalltag bilden. Da viele Freizeitaktivitäten unter stark pädagogischer Anleitung stehen – also ein Fußballtrainer, der Anweisungen gibt oder eine Musiklehrerin, die erklärt, wie das Instrument gespielt werden soll – kommt die Erholung bei vielen Hobbys zu kurz. Experten zufolge sollten daher nicht mehr als zwei Nachmittage in der Woche (besser noch: nicht mehr als drei Stunden wöchentlich) mit Hobbys verplant sein.1

So haben die Kinder dann noch genügend Zeit, zu entspannen und spontan das zu machen, worauf sie Lust haben. Dabei ist vor allem das freie Spielen mit Freunden, abseits von festgelegten Regeln und Zeiten, wichtig für die Entwicklung des Nachwuchses. In der Zeit lernen sie unter anderem:

  • sich an Regeln zu halten, die nicht explizit von Erwachsenen für sie aufgestellt wurden
  • auf die Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen
  • ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen
  • Kreativität und Fantasie auszuleben
  • mit Stress mit Freunden umzugehen

Die Freizeitgestaltung eines Kindes sollte also nicht dem vollen Terminkalender eines Managers gleichen. Vielmehr sollte sie auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt sein und genügend Freiraum für Erholung bieten, damit eine Balance zwischen Spaß und Leistungsabfrage gehalten werden kann, um Freizeitstress bei Kindern zu verhindern.

Ein Plädoyer für die Langeweile

Langeweile – ein Wort, dass viele Kinder bei ihrem Freizeitstress heute gar nicht mehr kennen. Dabei gehört sie zum Kind sein dazu. Einfach Nichtstun ist im richtigen Maß für Kinder mindestens ebenso wertvoll wie Musikunterricht oder Vereinssport. In der Beschäftigung mit sich selbst und der Welt entwickeln sich Kreativität, Selbstbewusstsein, innere Stabilität und die Kleinen tanken neue Kräfte.2

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Quellen anzeigen
  • 1Domsch, Holger/ Lohaus, Arnold/ Fridrici, Mirko: Kinder im Stress: Wie Eltern Kinder stärken und begleiten. Berlin/Heidelberg: Springer-Verlag, 2016, S. 30.
  • 2Mierau, Susanne. Geborgene Kindheit: Kinder vertrauensvoll und entspannt begleiten. München: Kösel-Verlag 2017, S.18.