Die ersten Minuten nach der Geburt sind die Basis für die Bindung


Erstlingseltern sind direkt nach der Geburt zunächst erstaunt: Das Neugeborene sieht gar nicht aus wie in der Werbung. Stattdessen ist es zerknautscht, oft knallrot, voll mit Käseschmiere und es schreit bisweilen schon ganz kräftig. Kein Wunder, eine Geburt ist kein Spaziergang – weder für die Mutter noch für das Baby. Um trotzdem so schnell wie möglich eine Bindung zwischen Eltern und Kind herzustellen, hat sich die Natur einiges einfallen lassen:

  • Die Mutter wird bei und direkt nach der Geburt vom Liebes- und Bindungshormon Oxytocin überschüttet. Es sorgt für das „Bonding“.
  • Neugeborene riechen ganz zauberhaft.
  • Verläuft die Geburt normal, ist ein Neugeborenes hellwach. Der Ausdruck in seinen Augen erinnert in den ersten Stunden an den eines sehr alten Menschen. Die Tiefe des Blicks nimmt die Eltern gefangen und bindet sie an das Kind.

Nach einer natürlichen Geburt ist die Mutter erst einmal energiegeladen. Doch relativ schnell zeigt sich, was der Körper geleistet hat. Die Frau fühlt sich schwach und erschöpft, Körper und Seele sind aus dem Gleichgewicht. Gleiches gilt für Geburten, bei denen eingegriffen werden musste und es zum Beispiel zu einem Kaiserschnitt kam. Die Frau hat nach der Geburt möglicherweise starke Schmerzen, kann nicht aufstehen oder muss erst eine Narkose verkraften. Und auch das Baby ist direkt nach der Geburt erschöpft. Genaue Hinweise auf seinen Zustand liefern die Apgar-Werte.

Apgar-Test:

Hebammen und Ärzte bewerten den Gesundheitszustand eines Säuglings in den ersten Minuten nach der Geburt. Entwickelt wurde der Test 1952 von der amerikanischen Chirurgin Virginia Apgar. Sie wollte damit die Säuglingssterblichkeit verringern. Die Bezeichnung Apgar steht dabei auch für die zu beurteilenden Kriterien: Aussehen, Puls, Grundtonus (Muskelspannung), Atmung und Reflexe.

Nach der Geburt bekommt die Mutter das Kind auf den Bauch gelegt und die Nabelschnur kann auspulsieren, bevor sie getrennt wird. Die vertraute Stimme, die Körperwärme und der Herzschlag beruhigen das Neugeborene. Jedes Baby erkennt unmittelbar nach der Geburt den Geruch der Mutter und robbt normalerweise von selbst Richtung Brust. Dort warten bereits die ersten Tropfen Milch, die die Immunabwehr des Kindes stärken: das Kolostrum. Dieses erste Stillen fördert auch die Ablösung der Plazenta (Mutterkuchen), die in der Stunde nach der Geburt ausgeschieden wird. Das Herauspressen der Plazenta geht viel einfacher als die Geburt selbst und wird von vielen Frauen nicht als schmerzhaft empfunden. Durch das Baby im Arm sind sie zudem abgelenkt.

Schon gewusst?

Der Mutterkuchen gilt seit einiger Zeit als Superfood: Er soll Schmerzen lindern, Wochenbettdepressionen vorbeugen und die Milchproduktion ankurbeln. Doch nichts davon ist bewiesen und bevor man beherzt zulangt, sollte man wissen: Die Plazenta filtert Schadstoffe und Krankheitserreger aus dem Blut der Mutter, die sich in der Folge im Gewebe ansammeln können.

Die Plazenta muss vollständig geboren werden. Bleiben Rückstände, ist eine Ausschabung notwendig, da es sonst zu gefährlichen Blutungen kommen kann. Der Zustand der Plazenta und ihre Farbe geben der Hebamme wichtige Hinweise.

Nach der Geburt braucht es Zeit, Zuneigung und Zuwendung


Der weibliche Körper bringt nach einer Geburt noch einmal Höchstleistungen: Die Gebärmutter bildet sich zurück, es kommt zu Nachwehen und der Wochenfluss (Lochien) sorgt für innere Reinigung. Zeitgleich schießt die Milch ein und die Hormone fahren Achterbahn. Alles ist neu und manches anders, als man es sich vorher ausgemalt hat.

Jedes Kind hat eine Grundpersönlichkeit und das zeigt sich unter anderem auch an seinem Schlafverhalten. Einen Säugling zu haben, ist anstrengend und bisweilen auch verwirrend. Frischgebackene Eltern sind mit völlig neuen Situationen und Gefühlen konfrontiert – da kann es dauern, bis sich alles einspielt.

In der ersten Zeit mit dem Baby brauchen die Eltern Unterstützung


Die erste Zeit nach der Geburt heißt Wochenbett, wobei der Wortteil „Bett“ durchaus wörtlich zu verstehen ist. Denn es ist die Zeit, in der sich Mama und Neugeborenes viel Ruhe gönnen sollten, um sich richtig kennenzulernen und aufeinander einzuspielen. Mit der Ruhe ist es allerdings schnell vorbei, wenn Verwandte, Freunde und Nachbarn das Neugeborene begrüßen möchten. Hier gilt es, sich klar zu positionieren: Gegen einen kurzen Besuch ist nichts einzuwenden, wenn der Besucher seinen Kuchen selbst mitbringt oder vorher einkaufen geht.

Babyblues:

Jeder erwartet, dass Sie in der ersten Zeit mit Baby vor Glück nur so strahlen, Ihnen ist stattdessen aber zum Heulen zumute? Ein Wechselbad der Gefühle mit gewaltigen Tiefs ist in den ersten Tagen nach der Geburt normal und hängt mit der Hormonumstellung zusammen. In einigen wenigen Fällen wächst sich der Babyblues allerdings zu einer echten Wochenbettdepression aus. Die Frau empfindet nichts für das Kind und kann es im schlimmsten Fall nicht versorgen. Kein Grund zur Scham, aber ein dringender Grund, den Frauenarzt aufzusuchen. Er unterstützt die Betroffene und verschreibt notfalls passende Medikamente.

Eine wichtige Hilfe in der ersten Zeit mit dem Baby ist die Nachsorgehebamme, die jeder Frau zusteht und die diese bis zum Ende der Stillzeit in Anspruch nehmen kann. Sie kümmert sich um das Kind und die Mutter, beobachtet den Heilungsverlauf, beantwortet alle Fragen und hilft beim ersten Baden, beim Binden eines Tragetuchs oder bei Stillproblemen.

Tipp:

Frauen, die niemanden an ihrer Seite oder einen erhöhten Pflegebedarf nach der Geburt haben, werden von der Krankenkasse zusätzlich unterstützt und bekommen in der ersten Zeit mit ihrem Baby eine Haushaltshilfe bezahlt.

Das Kind ist geboren, aber der Bauch sieht nach der Geburt noch genauso aus wie vorher? Nur Geduld mit dem Abnehmen: Neun Monate entsteht der Bauch, neun Monate geht der Bauch. Durch Gymnastik wird die Rückbildung unterstützt.

Bewegen und Podcast hören

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Frischgebackene Väter haben es nicht leicht


Viele Mütter, die zum ersten Mal ein Baby bekommen, wollen sich und der Welt beweisen, dass sie alles im Griff haben. Dabei können sie sich übernehmen. Ein Neugeborenes hat noch keinen festen Schlafrhythmus, es fordert seine Eltern Tag und Nacht. Wer da nicht für eigene Ruhepausen sorgt und auf seinen Körper hört, kommt sehr schnell an seine Grenzen.

Aus aller Welt:

In manchen Indianerstämmen ist es üblich, dass sich die Mutter mit ihrem Neugeborenen in der ersten Zeit nach der Geburt in eine dunkle, warme Hütte zurückzieht. Sie schützt damit das Baby vor grellem Licht und lauten Geräuschen, bis dieses richtig in der Welt angekommen ist.

Auch wenn es sich so anfühlt, als könne man(n) gar nichts tun: In der ersten Zeit mit dem Baby spielt auch der Papa eine sehr große Rolle. Sein Verständnis für das hormonelle Auf und Ab der Partnerin, seine Hilfe beim Ausfüllen von Formularen und bei der Hausarbeit ist ein wichtiger Beitrag. Junge Mütter vergessen dabei manchmal, dass auch für ihn die Situation neu ist. Auch er muss die Erlebnisse bei der Geburt verarbeiten und auf Schlaf verzichten – ohne die Hormone, die der Frau dabei helfen.

Wichtiger als Staubsaugen sind daher gemeinsame Kuschelminuten. Denn diese ersten acht Wochen nach einer Geburt, die mit einem Besuch beim Frauenarzt abschließen, können entscheidend dafür sein, dass es entspannt weitergeht. Sie sind eine Investition in die Zukunft.

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Simone Blaß Nach einem Volontariat bei einem medizinisch geprägten Fernsehsender und ihrer Zeit beim Radio spezialisierte sich Simone Blaß als freie Familienredakteurin auf den Schwerpunkt Gesundheit. Aufgrund ihres in Erlangen absolvierten Psychologiestudiums interessiert sie sich vor allem für das Zusammenspiel zwischen Körper und Seele. Simone Blaß Autorin kanyo® mehr erfahren