Baby-Blues oder Wochenbettdepression - was ist der Unterschied?
Endlich ist das Baby da und das Glück kennt keine Grenzen - so ist zumindest die weitverbreitete Vorstellung. Allerdings weichen die Glücksgefühle bei jeder zweiten Frau einer Phase, in der sie viel weint, traurig, müde und reizbar ist oder sich innerlich unruhig fühlt.6 Dieses seelische Tief wird umgangssprachlich als Baby-Blues (postpartales Stimmungstief) oder Heultage bezeichnet.
In den Wochen nach der Geburt (Wochenbett) ist ein Wechselbad der Gefühl aufgrund der neuen Lebenssituation, der hormonellen Umstellung und dem Schlafmangel normal und mehr als nachvollziehbar. Das Stimmungstief entwickelt sich in der Regel zwischen dem zweiten und dritten Tag nach der Geburt des Kindes und hält meist nicht länger als zwei Wochen an.2
Wochenbettdepression beim Mann?
Auch Männer können nach der Geburt eines Kindes an einer Wochenbettdepression leiden, was oft weniger bekannt ist. Schätzungen zufolge sind 4 bis 25 Prozent der Väter innerhalb des ersten Jahres betroffen.8 Die Symptome ähneln denen von Frauen und umfassen depressive Stimmung, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und Reizbarkeit.
Ursachen sind unter anderem hormonelle Veränderungen, Stress, Schlafmangel und Partnerschaftsprobleme. Eine frühzeitige professionelle Behandlung durch Psychotherapie oder Medikation sowie Unterstützung durch die Familie und Selbsthilfegruppen sind wichtig.
Der Baby-Blues ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Wochenbettdepression, auch postpartale Depression (PPD) oder Kindbettdepression genannt – selbst wenn der Übergang in diese häufig fließend ist.
Diese ernstzunehmende Erkrankung
- tritt für gewöhnlich sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt auf,1
- kann sich aber noch in den ersten beiden Jahren nach der Entbindung ausbilden,3
- hat einen akuten oder schleichenden Verlauf und
- betrifft 10 bis 15 Prozent aller Mütter.4
Die Dunkelziffer ist jedoch hoch: Viele Frauen erzählen erst, dass es ihnen psychisch nicht gut geht, wenn andere sie gezielt darauf ansprechen, beispielsweise bei der gynäkologischen Nachuntersuchung ein paar Wochen nach der Geburt.
Wochenbettdepression nach ungeplantem Kaiserschnitt
Laut einer Studie aus Großbritannien haben Erstgebärende ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer postpartalen Depression, wenn das Kind per ungeplantem Kaiserschnitt auf die Welt kommt.7 Denn dieser hat für die Frauen meist negative psychologische Auswirkungen: Mentaler sowie körperlicher Stress, Kontrollverlust und unerreichte Erwartungen sind mögliche Gründe für die Entwicklung einer Wochenbettdepression nach einem ungeplanten Kaiserschnitt.
Symptome: Eine Kindbettdepression erkennen
Aus Angst, als Mutter zu versagen, oder weil sie sich mit dem riesigen Berg an Verantwortung und Aufgaben allein gelassen und überfordert fühlen, verschweigen viele Frauen ihren Gefühlszustand, was die Diagnose und die frühzeitige Behandlung einer Kindbettdepression erschwert.
Diese Anzeichen sind typisch für eine Kindbettdepression:
- Antriebslosigkeit
- Kopfschmerzen
- Gefühl innerer Leere
- Angstzustände
- Gereiztheit gegenüber dem Kind
- Schlafstörungen
- Schuldgefühle
- kein Interesse am Baby (zwar wird es mechanisch wie ein Gegenstand/eine Puppe versorgt, aber ohne emotionale Nähe)
- in schweren Fällen Zwangsgedanken (beispielsweise dem Baby schaden zu wollen)
Wichtig ist, die Kindbettdepression von der selteneren postpartalen Psychose (PPP) abzutrennen, die einhergehen kann mit Halluzinationen, Stupor (körperliche und seelische Erstarrung) oder Schuld-/Versündigungswahn. Bei Letzterem haben Betroffene das Gefühl, große Schuld auf sich geladen zu haben, weshalb sie der Auffassung sind, bestraft werden zu müssen.
Zwangsgedanken? Bitte Hilfe suchen!
Wenn Zwangsgedanken auftreten, ist es entscheidend, umgehend professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass dem Baby nicht unbeabsichtigt Schaden zugefügt wird. Frühzeitige Unterstützung durch Fachärzte oder Therapeuten kann helfen, die Situation zu bewältigen und die notwendigen Schritte zur Heilung einzuleiten. Die Behandlungsmöglichkeiten umfassen Psychotherapie und medikamentöse Ansätze, die speziell auf die Bedürfnisse der Mutter abgestimmt sind.
Wochenbettdepression - was von all dem bekommt das Baby mit?
Leidet die Mutter an einer Wochenbettdepression, besteht die Gefahr, dass die Mutter-Kind-Bindung beeinträchtigt wird. Zwar wirken Babys in den Wochen nach der Geburt so, als würden sie noch nicht viel von dem verstehen, was um sie herum abläuft. Doch Kinder sind bereits in den ersten Lebensmonaten äußerst sensibel und merken, wenn sich die Mutter ihnen gegenüber zurückhaltend verhält, sie wenig berührt und mit ihnen spricht.
Babys reagieren unter anderem mit
- Schlaf- und Stillproblemen,
- weinen häufiger,
- schreien übermäßig und
- vermeiden selbst den Blickkontakt zur Mutter.
Ist die Wochenbettdepression von schwerem Verlauf, zeigen die Kinder häufig auch kognitive – also das Wahrnehmen, Denken und Erkennen betreffende – Entwicklungsverzögerungen. Diese in ihrer Bandbreite nur angerissenen Auswirkungen auf das Kind zeigen die Relevanz sowie die Tragweite des Spruchs „Wer schnell hilft, hilft doppelt.“
Behandlung einer Wochenbettdepression: Abhängig vom Schweregrad
Während bei leichten oder mittleren Beschwerden der Fokus auf der Psychotherapie liegt, wird bei starken Symptomen zu einer Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung geraten.
Direkt zu den Behandlungsmöglichkeiten:
Psychotherapie
Sie müssen nicht allein durch das Tal der Trauer und Leere. Holen Sie sich Unterstützung – bei einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Dieser leitet eine zielgerichtete Therapie in die Wege. Beziehen Sie bei diesem Schritt auch Ihren Partner mit ein.
In Gesprächen erarbeitet der Therapeut zusammen mit der Frau, warum es zur Kindbettdepression gekommen ist. Sie entwickeln Strategien, die die Betroffene anwenden kann, wenn negative Gedanken wieder aufkommen.
Das Thema „Identifikation mit der Mutterrolle“ gehört ebenso zur Psychotherapie wie das Bestreben, eine gute Mutter-Kind-Beziehung aufzubauen. Positive Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn auch das Kind in die Therapie mit einbezogen wird. Beispielsweise lernt die Mutter dabei Handgriffe zur Babymassage.
Übrigens: Es gibt Kliniken, die sogenannte „Mutter-Kind-Einheiten“ anbieten, in denen Fachpersonal Mütter mit ihren Kindern stationär betreut.
Medikamentöse Therapie
Vor der Medikamentengabe ist es wichtig zu wissen, wie sich die Wochenbettdepression äußert und ob welche Begleitumstände bestehen. So zum Beispiel:
- Bei einer von Antriebslosigkeit gekennzeichneten postpartalen Depression kommen häufig Antidepressiva zum Einsatz, die stimulierend wirken.
- Ist die Frau hingegen eher ängstlich und angespannt, verschreibt der Facharzt Arzneimittel mit angstlösenden Eigenschaften.
- Litt die Frau bei vorangegangenen Geburten bereits unter einer Wochenbettdepression und ist dies bekannt, zieht der Arzt eine Progesteron-Prophylaxe in Erwägung. Der Grund: Geht es um die Auslöser der Erkrankung, wird der rasante Abfall an Schwangerschaftshormonen nach der Entbindung diskutiert – wenn auch kontrovers.
Gut zu wissen
Stillt die Mutter, ist zu beachten, dass Antidepressiva in die Muttermilch übergehen. Daher sind nicht alle Wirkstoffe geeignet. Ihr behandelnder Arzt berät Sie entsprechend.
Weitere Hilfemaßnahmen
Eine weitere Säule auf dem Weg raus aus der Kindbettdepression bilden Angebote, die den Betroffenen zeigen, dass ihnen jemand zuhört und hilft. So zum Beispiel:
- Entlastung, beispielsweise durch eine Haushaltshilfe
- sozialpädagogische Familienhilfe (Betreuung und Begleitung in Erziehungsaufgaben, Unterstützung bei Alltagsprobleme, Lösung von Konflikten und Krisen)
- Unterstützung im privaten Umfeld, zum Beispiel durch den Partner, Familienangehörige oder die Hebamme
- Gesprächskreise und Selbsthilfegruppe, um sich mit anderen Betroffenen auszutauschen
Darüber hinaus ist die Studienlage aktuell noch zu dünn, um sagen zu können, ob körperliche Aktivität, Massagen, Akupunktur und Lichttherapie ebenfalls bei postpartaler Depression helfen.5
Häufig gestellte Fragen zur Wochenbettdepression
Eine Wochenbettdepression äußert sich durch Symptome wie Antriebslosigkeit, innere Leere, Angstzustände, Gereiztheit gegenüber dem Kind, Schlafstörungen, Schuldgefühle und mangelndes Interesse am Baby. In schweren Fällen können Zwangsgedanken auftreten.
Wochenbettdepressionen entwickeln sich meist 4 Wochen nach der Entbindung.9 Die Dauer variiert je nach Schwere und Behandlung.
Betroffene sollten professionelle Hilfe suchen, beispielsweise bei einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Therapieformen umfassen Psychotherapie, medikamentöse Behandlung und Unterstützung durch Haushaltshilfen, Familienhilfe oder Selbsthilfegruppen.
Der Baby Blues ist ein vorübergehendes Stimmungstief, das kurz nach der Geburt auftritt und durch Weinen, Traurigkeit, Müdigkeit und Reizbarkeit gekennzeichnet ist. Es hält meist nicht länger als zwei Wochen an und ist normal in der Anpassungsphase nach der Geburt.2 Dem gegenüber steht die Wochenbettdepression als eine langanhaltende, psychische Störung, die Wochen bis Monate nach der Geburt auftreten kann. Symptome umfassen tiefe Traurigkeit, Angstzustände, Schuldgefühle und in schweren Fällen Zwangsgedanken.