Was ist eine Lotusgeburt und welche Idee steckt dahinter?
Die Lotusgeburt ist eine Form der Entbindung, bei der die Nabelschnur nicht sofort durchtrennt wird. Stattdessen bleibt sie nach der Geburt mit der ebenfalls entbundenen Plazenta verbunden. Etwa 3 bis 10 Tage besteht diese Verbindung zum Baby, bis die Nabelschnur von selbst vertrocknet und schließlich abfällt.1
Befürworter argumentieren, dass die Lotusgeburt die spirituelle Verbundenheit zwischen Mutter und Kind, die während der Schwangerschaft besteht, auch nach der Geburt bewahrt.1 So soll dem Baby ein besonders sanfter Start ins Leben ermöglicht werden, da angenommen wird, dass durch die zu schnelle Trennung von der Plazenta ein Trauma (Unruhe, gestörtes Urvertrauen) entstehen kann. Es handelt sich hierbei also vor allem um spirituelle und psychologische Gründe.
Ablauf: Was passiert bei einer Lotusgeburt?
Nach der Geburt von Kind und Nachgeburt wird die Nabelschnur nicht abgeklemmt und nicht durchtrennt, wodurch Baby und Plazenta weiterhin miteinander verbunden sind. Im Anschluss wird der Mutterkuchen höher als das Kind gehalten, um den Blutfluss zum Baby zu fördern. Danach muss die Plazenta behandelt (konserviert) werden.
Plazenta konservieren – wie geht das?
Um natürliche Zersetzungsprozesse zu vermeiden, wird die Plazenta bei der Lotusgeburt gereinigt, getrocknet und in atmungsaktives Material wie Mullwindeln zusammen mit Salz und Kräutern (zum Beispiel Lavendel oder Rosmarin) gewickelt. Im Internet bieten private Anbieter dafür spezielle Lotus-Sets und Plazenta-Tragetaschen an. Der Mutterkuchen bleibt für bis zu 10 Tage an der langsam vertrocknenden Nabelschnur und damit am Baby.1
Meist führen Kliniken eine Lotusgeburt aufgrund des Infektionsrisikos von Plazenta und Nabelschnur nicht durch. Hier sollten sich Frauen vorab gründlich informieren. Das gilt insbesondere, wenn Schwangere, die sich eine Lotusgeburt wünschen, auf ein Krankenhaus angewiesen sind, zum Beispiel weil ein Kaiserschnitt (Sectio) geplant ist.
Eine Lotusgeburt nach einem Kaiserschnitt ist zwar prinzipiell möglich, hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören die Methode des Kaiserschnitts und der gesundheitliche Zustand von Mutter und Kind. Wenn beide stabil sind und keine medizinischen Gründe gegen eine Lotusgeburt sprechen, kann die Nabelschnur ungetrennt bleiben. Allerdings muss diese Entscheidung individuell abgewogen werden und ist zudem abhängig von der Geburtsklinik.
Hat die Lotusgeburt Vorteile?
Befürworter der Lotusgeburt glauben an verschiedene positive Effekte für das Kind, darunter:
- Tiefere Geborgenheit: Die verlängerte Verbindung zur Plazenta soll sich positiv auf das Wohlbefinden des Kindes auswirken.
- Bessere Entwicklung: Es wird behauptet, dass Kinder, die nach der Geburt noch mit der Nabelschnur verbunden bleiben, sich schneller und besser entwickeln.
- Weniger Atemwegsprobleme: Befürworter glauben, dass solche Kinder seltener Atemwegsprobleme (zum Beispiel Asthma) haben.
Auch wird ein geringeres Risiko für Gelbsucht angenommen. Allerdings fehlen wissenschaftliche Belege und ausreichend Studien für diese Vorteile und dafür, dass die so genannten Lotus-Kinder tatsächlich gesünder sind als andere Neugeborene.1
Auch die Annahme, dass die bestehende Verbindung bei der Lotusgeburt das Immunsystem stärkt, weil das Kind länger mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt wird, ist sehr unwahrscheinlich, da der Blut- und Nährstoffaustausch zwischen Plazenta und Kind bereits wenige Minuten nach dem Auspulsieren der Nabelschnur vollständig zum Erliegen kommt.1
Die medizinisch-physiologischen Vorteile bestehen daher eigentlich nur beim späten Abnabeln (Abklemmen der Nabelschnur nach dem Auspulsieren) und nicht bei der mehrtägigen Verbindung des Kindes mit der Plazenta, wie es bei einer Lotusgeburt der Fall ist.1 Aus medizinischer Sicht ist der Erhalt der Nabelschnur also nach dem Ende der Pulsation und dem Erschlaffen der Nabelschnur nicht mehr von Nutzen, da kein Bluttransfer mehr stattfindet.
Als wissenschaftlich fundierte Alternative zur Lotusgeburt kann das späte Abnabeln mit Auspulsieren der Nabelschnur betrachtet werden.1
Auspulsieren und späte Abnabelung
Es gibt verschiedene Zeitpunkte für die Abnabelung:
- Sofortabnabelung: Direkt nach der Geburt.
- Frühabnabelung: Ungefähr 1,5 bis 2 Minuten nach der Geburt.
- Spätabnabelung: Nach dem vollständigen Auspulsieren der Nabelschnur, also wenn kein Blut mehr aus der Plazenta in die Nabelschnur fließt.
Beim Auspulsieren oder späten Abnabeln wird die Nabelschnur erst durchtrennt, nachdem der Blutfluss vollständig zum Stillstand gekommen ist. Dies ermöglicht dem Neugeborenen, zusätzliche Nährstoffe und Blut aus der Plazenta zu erhalten. Die Eisenspeicher des Neugeborenen (Ferritin) werden aufgrund des um bis zu 30 bis 40 Prozent erhöhten Blutvolumens deutlich aufgefüllt.1
Risiken und Nachteile einer Lotusgeburt
Eine Lotusgeburt kann folgende Nachteile und Risiken mit sich bringen:
- Durch den verlängerten Kontakt zwischen Kind und Plazenta kann ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehen, da die Plazenta beginnt, sich zu zersetzen. Dies kann zu einer Ansammlung von Keimen führen, die potenziell über die Nabelschnur auf das Baby übergehen können. Bei der Nachsorge einer Lotusgeburt sollte daher sorgfältig auf Infektionszeichen (Rötung, Schwellung, Eiterbildung oder unangenehmer Geruch im Nabelbereich) und das allgemeine Verhalten des Neugeborenen (vermehrtes Schreien, verminderter Appetit) geachtet werden.2
- Zudem ist eine Lotusgeburt mit gewissem zusätzlichen Mehraufwand verbunden. Hier gilt es zu bedenken, dass die Plazenta weiterhin an der Nabelschnur bleibt und daher immer zusammen mit dem Neugeborenen getragen und bewegt werden muss. Hierfür sind spezielle Taschen oder Dosen erhältlich.
- Auch kann es vorkommen, dass die Nabelschnur – und damit die Verbindung zwischen Kind und Plazenta – zu kurz ist. Dieser Umstand erschwert das Wickeln, Baden und Stillen, und unvorsichtige Bewegungen können die Nabelschnur reißen lassen, was das Verletzungsrisiko erhöht.
Aufgrund dieser nachteiligen Faktoren bieten Geburtskliniken in der Regel keine Lotusgeburt an, diese ist daher meist nur bei Hausgeburten oder in einigen Geburtshäusern möglich.
Wichtig: Werdende Mütter, die sich für eine Lotusgeburt interessieren, sollten sich gründlich informieren und das Gespräch mit Gynäkologen und Hebammen suchen, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Häufig gestellte Fragen zur Lotusgeburt
Eine Lotusgeburt ist ein Geburtsritual, bei dem die Nabelschnur nicht wie üblich durchtrennt wird. Das Baby bleibt nach der Geburt noch so lange mit der Plazenta verbunden, bis die Nabelschnur nach etwa 3-10 Tagen von selbst abfällt.1
Eine Lotusgeburt birgt Risiken, wie eine erhöhte Infektionsgefahr, da die Plazenta nach der Geburt keine Blutversorgung mehr hat und anfälliger für Keime wird, die sich über die Nabelschnur zum Baby ausbreiten können.
Häufig werden Kräuter wie Lavendel, Rosmarin oder Thymian verwendet, um Gerüche der sich zersetzenden Plazenta zu reduzieren. Zusätzlich wird Salz (zum Beispiel Meersalz) zur Konservierung angewandt. Vorgefertigte Sets mit den genannten Produkten sind im Internet erhältlich.
Die Nabelschnur pulsiert normalerweise einige Minuten nach der Geburt und hört auf, sobald der Blutfluss zwischen Mutter und Kind stoppt.1 Bei der Lotusgeburt bleibt die Verbindung also viel länger bestehen, als nährstoffreiches Blut von der Plazenta zum Kind fließt.